Die Geschichte der Landeskirchlichen Gemeinschaft Martinhagen und Umgebung hängt ganz eng mit den Personen zusammen. Deshalb wollen wir an dieser Stelle Zeitzeugen aus den letzten mehr als 100 Jahren zu Wort kommen lassen…
Die Gemeinschaft Martinhagen wurde im Juni 1914 gegründet. Der Landwirt Heinrich Kimm war zum lebendigen Glauben an Jesus gekommen. Er lernte die Gemeinschaft Burghasungen kennen. Von heißer Retterliebe getrieben wurde dann beschlossen, auch in Martinhagen eine Stunde zu halten. An einem Sonntag im Juni 1914 kamen dann eine Anzahl Geschwister aus Burghasungen mit Pferd und Wagen nach Martinhagen zur ersten Stunde. Die Stunde wurde gehalten von dem jungen Prediger Schlegel, der damals in Kassel-Bettenhausen wohnte. Gott segnete das Wort von der „engen Pforte“ und bereits in dieser Stunde fand eine Seele den Weg zum Heiland. Bis zu seiner Einberufung in den ersten Weltkrieg hielt Bruder Schlegel die Stunden weiter. Leider ist dieser treuer Zeuge Jesu im Kriege gefallen.
Während des ersten Weltkrieges wurde auch das erste Waldfest vom damaligen Vorsitzenden des Hessischen Gemeinschaftsvereins Pfarrer L. Wittekind gehalten. (Da er im Gegensatz zu Zachäus groß war von Person, vergewisserte er sich vorher, ob wir auch ein 2 Meter langes Bett hätten, damit er bei uns übernachten könnte.)
Soweit es möglich war, wurden die Versammlungen durch die Kriegsjahre hindurch durch Brüder vom Gemeinschaftsverein gehalten. Es war wohl kurz nach dem ersten Weltkrieg, als wir unsere Arbeit dem Dienst der Brüder und Schwestern des Friedenshofwerkes anvertrauten. Mit Freuden und dankbar gedenken wir der vielen treuen Dienste, die bei uns getan wurden…
… Ein Prediger Müller, welcher in Gleichen auf dem Huholdschem Gut als Pfleger für einen kranken Sohn tätig war, kam regelmäßig nach Kirchberg und hielt dort die Versammlungen. Es gab viel Feindschaft gegen die „Blauen“ (so nannte man die Gemeinschaftsleute). Oft konnte man vor lauter Störung kaum ein Wort verstehen. Mit Blecheimern und Holzkisten schlug man den Takt dazu, wenn wir das Lied: „Fürchte dich nicht länger“ sangen. Mit Steinen und Hölzern wurden wir beworfen. Den Prediger wollte man totschlagen. Er konnte nie allein nach Gleichen gehen. Besonders gefährlich war ein Mann, namens Kraft. Er war wohl auch der Stärkste des Dorfes. Aber eines Tages wagte dieser Starke in die Versammlung zu gehen und es kam so weit, dass er dann selbst den Prediger nach Gleichen begleitete…
… Wir hatten auch einen „Evangeliumsgaul“. Bruder Itter hatte neben seinen mehreren Pferden, ein Pferd mit Namen „Tempel“. Dieses Pferd wurde oft an die Kutsche gespannt und von anderen Dörfern Leute zur Stunde abgeholt (…) Eines TAges musste wieder der Evangeliumsgaul „Tempel“ nach Riede traben. Im alten Haus von Peters waren dann auch bald Versammlungen…
…Eine Begebenheit ist uns noch im Gedächtnis. Der Jubu Großalmerode machte sich mit einem Holzvergaser LKW auf den Weg nach Martinhagen. Dort hatte man bereits Vorbereitungen getroffen. In einem Bauernhaus, wo auch die Jugend- und Gemeinschaftsstunden stattfanden, hatte man das Wohnzimmer ausgeräumt, mit Stroh ausgelegt und zum Massenlager hergerichtet.
Frauen und Mütter sorgten für das leibliche Wohl, kochten einen herzhaften Eintopf mit „Schweinefleischeinlage“, was aber die Mägen der jungen Leute in der Nachkriegszeit nicht mehr gewöhnt waren und das wurde ihnen zum Verhängnis! Man stand am Plumpsklo Schlange.
Gläubige Eltern trugen dazu bei, dass der Jugend ein gutes Fundament für ihr Leben gelegt wurde…
… Bei Familie Kimm in Martinhagen in der Jugendbundstunde. Mitte der 60er Jahre. Aufbruchsstimmung in Nordhessen. Wir starteten in einem Stübchen … mit 10 jungen Leuten. Singen, Bibel lesen, beten. Das war das zahme Pflichtprogramm. Zur Kür gehörten Fahrradtouren, Busreisen zu großen Jugendtreffen, Blödsinn jedweder Geschmacksrichtung, Nachtwanderungen zur Hirschbrunftzeit, zarte Aufnahme der Witterung des anderen Geschlechts, erotisches Techtelmechtel gemäß strenger Regeln des Weißen Kreuzes. Einmal im Monat Weihestunde. Heilige Augenblicke der Buße und der Absolution. Wir wollten gereinigte Gefäße des Höchsten sein.
Irgendwann wurde die Bauernstube zu klein. Wir wollten wachsen, mehr junge Leute erreichen. So bauten wir mit der Landeskirchlichen Gemeinschaft Martinhagen ein modernes Gemeindezentrum… Binnen weniger Jahre waren wir Sonntagabends bis zu 100 junger Leute in unserem neuen Domizil…
Wir gründeten eine Band, die wir vorsorglich „Musikgruppe“ nannten… Die alten Brüder waren zunächst skeptisch, als wir die Lautsprecherboxen aufgebaut haben, aber am Ende standen sie voll hinter uns. Hauptsache es war Leben in der Bude und das Evangelium kam unters Volk…
Erinnerungen:
„Besonders gerne denke ich an gemeinsame Gottesdienste, Feierabende und Gespräche.“
„Fuß- und Volleyballturniere mit tollem Miteinander und hin und wieder auch Erfolgen. Pizzaessen und Abendstunden bei Filippo in Elbenberg.“
„Seit 62 Jahren ist sie meine geistliche Heimat. Hier fand ich den Weg zu Jesus. Ich fühle mich wie in einer großen Familie, wo eins das andere trägt.“
„In Erinnerung geblieben sind mir die schönen, unbeschwerten Jahre im EC-Jugendbund – diese Zeit war prägend für mein Leben.“